Rheinische Post: Kommentar: Ein Mammut-Prozess als Experiment

Düsseldorf (ots) – Es ist gut, dass es die Musterklage gibt. Damit steht Verbrauchern ein bequemes und sehr risikoarmes Instrument zur Verfügung, sich insbesondere gegen Großkonzerne zur Wehr zu setzen. Außerdem ist es kostenfrei. Das ist gerade dann wichtig, wenn vielen Menschen nur ein geringer Schaden entstanden ist, der ohne eine Musterklage den Aufwand eines Prozesses nicht wert wäre. Mit ihr können sich aber viele ähnlich Geschädigte von erfahrenen und seriösen Interessengruppen, etwa dem Bundesverband der Verbraucherzentralen, vertreten lassen und es selbst mit den enormen Ressourcen einer Rechtsabteilung wie von Volkswagen aufnehmen. Das Problem: Das Instrument der Musterklage ist noch sehr neu und kompliziert. Die Koalitionäre von Union und SPD boxten es nach zunächst sehr zähen Verhandlungen im Eiltempo durch Kabinett und Parlament, als sie die Fristen für ein rechtzeitiges Inkrafttreten für den Volkswagen-Prozess gerade noch so einhalten konnten. Die im Gesetz enthaltenen Kompromisse machen es zu einem für Juristen extrem komplexen Regelwerk. Denn die bereits jahrzehntealte Idee einer Musterfeststellungsklage für geringe, aber massenweise entstandene Schäden greift im Volkswagen-Fall nur bedingt. Dort kann es um hohe Schadenssummen gehen, außerdem sind die Einzelfälle der Dieselkunden teils sehr unterschiedlich. Und so ist der gerade erst gestartete Mammut-Prozess um die Abgasmanipulationen bei Volkswagen nicht nur in seinen Ausmaßen historisch. Er ist auch ein gigantisches Experiment, ob das Instrument der Musterklage überhaupt wie gewünscht funktioniert. Die Bundesregierung täte gut daran, das wohl jahrelange Experiment am Oberlandesgericht Braunschweig genau zu beobachten und Nachbesserungen an der Musterklage davon abzuleiten.

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